Deutsche NGOs in Perú

Perú ist ein bitterarmes Land, trotz der wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre. Zum Vergleich: Mit fast 30 Millionen Einwohnern erwirtschaftet das Land das halbe Bruttoinlandsprodukt von Baden-Württemberg. Die Lebensbedingungen vieler Menschen sind erbärmlich, 30 Prozent gelten als arm, 10 Prozent als sehr arm. Es gibt nach wie vor Regionen wie das VRAEM, wo jedes zweite Kind als unterernährt gilt.

Die Reichtümer sind ungerecht verteilt, der Staat ist schwach in El Perú. Die Steuerquote liegt bei vielleicht 20 Prozent, der Anteil der Schattenwirtschaft ist hoch. Die neoliberale Wirtschaftspolitik hat in den letzten Jahren zwar zu einer positiven Entwicklung bei der Leistungsbilanz geführt, aber eine nachhaltige Strategie vor allem durch Förderung des ländlichen Raumes hat im Grunde nicht stattgefunden. Stattdessen ist das Land abhängig von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe, die mit gigantischen Minenprojekten ohne Rücksicht auf Umwelt und Bewohner gefördert und exportiert werden. Perú ist der größte Produzent von Zink, Silber und Kupfer in Lateinamerika und der zweitgrößte weltweit.

In den letzten Jahren haben die Konflikte bei der Umsetzung von Minenprojekten stark zugenommen. Die Landbevölkerung ist nicht mehr bereit, die fatalen Umweltfolgen in riesigen Gebieten hinzunehmen. Sie sehen ihre karge Lebensgrundlage bedroht und wollen sich nicht in die Slums des Molochs Lima treiben lassen Die Proteste wurden zuletzt immer gewalttätiger, es gab Vorfälle mit dutzenden Toten. Der Staat hat allerdings reagiert: es wurde inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das die Mitwirkung betroffener indigener Bevölkerungsgruppen bei der Umsetzung solcher Projekte vorsieht. Wie sich das in der Praxis entwickelt steht auf einem anderen Blatt.

Die ärmliche Situation der peruanischen Landbevölkerung in den Anden und im Amazonasgebiet lässt vielen Menschen aus dem kirchlichen und globalisierungskritischen Umfeld keine Ruhe. Sie versuchen seit Jahren direkt zu helfen, vor Ort, mit den Bewohnern. Versuchen Bildungs- und Gesundheitsprojekte anzuschieben, nachhaltige Landwirtschaft zu verbreiten, die Weiterverarbeitung und Vermarktung von Agrarprodukten zu organisieren usw. usf.

Ich kann jetzt keine vollständigen Überblick geben über derartigen Aktivitäten, die sicherlich obendrein nicht alle im Web abgebildet sind, aber ich habe mich mal ein bisschen umgeschaut und erste Ansatzpunkte recherchiert.

Freundeskreis Peru-Amazonico
Beginnen will ich mit dem Freundeskreis Peru-Amazonico, der von Eugen Bruder geleitet wird, einem Agraringenieur und ehemaligen Entwicklungshelfer. Der Freundeskreis unterstützt seit Jahren in Nordperu diverse Projekte mit Rat und Tat und Spenden. Außerdem werden ständig Transporteure für ein bestimmtes Medikament gesucht, das in Perú zum zehnfachen des deutschen Preises gehandelt wird. Es handelt sich um einen Wirkstoff gegen eine lepraartige Krankheit, die durch Stechfliegen übertragen wird. Wer also ein-zwei Kilo im Koffer frei hat … Wie es der Zufall will: Herr Bruder hatte mit uns via Facebook Kontakt aufgenommen. Jetzt werden wir ihn kennenlernen. Denn am Sonntag 4. November findet im Haus des Waldes in Stuttgart-Degerloch ein Amazonien-Tag statt. Dort hat der Freundeskreis einen Info-Stand, bietet peruanisches Mittagessen an und das Wurfspiel Sapo.

Weitere Infostellen von Hilfsprojekten und Nachrichten im Web in deutscher Sprache

  • Ein Webring mit deutschsprachigen Seiten zum Thema Perú
  • Informationsstelle Peru – Netzwerk deutscher Solidaritätsgruppen mit Peru
  • Aktuelle Infos aus El Perú in deutscher Sprache InfoAmazonas.de
  • Import und Handel mit nachhaltig produziertem Kaffee aus den peruanischen Anden
  • Berichte von den Protesten gegen Minenprojekte
  • Bericht bei ADVENIAT (bischöfliches Lateinamerika-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland): Ein deutscher Bischof besucht erschüttert ein „normales“ peruanisches Gefängnis, begleitet von einem deutschen Gefängnisgeistlichen
  • Analyse der politischen Situation in dem lateinamerikanischen Infodienst amerika21.de vom Oktober 2011 nach der Übernahme der Präsidentschaft durch Ollanta Humala im Juli.
  • Wom-Blog: Nachrichten aus Lateinamerika – Kategorie Perú
  • Quetztal – Nachrichten aus Lateinamerika – Kategorie Perú
  • Peru-Bericht von Amnesty International: Berichte von Polizeiübergriffen bei Protesten gegen Minenprojekte. Außerdem wird die nachlässige Strafverfolgung von Militärangehörigen kritisiert, die während des staatlichen Gegenterrors Massaker und Menschenrechtsverletzungen zwischen 1986 und 2000 zu verantworten haben.
  • Bei Reporter Ohne Grenzen gibt es keine Einträge zu in Perú verhafteten Einzelpersonen. Die vorhandenen Meldungen hier beziehen sich in der Mehrzahl auf Attacken gegen Journalisten aus dem kriminellen Milieu im Zusammenhang mit der Berichterstattungen über den Drogenhandel oder die umstrittenen Minenprojekte. Andererseits gerät die Pressefreiheit durch diverse Prozesse in Gefahr, die von kritischer Berichterstattung betroffene Politiker gegen Journalisten auf dem Wege des Zivilrechts anstrengen. Die Prozesse enden teilweise mit haarsträubenden Urteilen. Hier ein paar Fälle aus den letzten Jahren in englischer Sprache.

Fotoalbum aus dem Juni 2009 mit Dokumenten über die mit erheblicher Polizeigewalt aufgelösten Proteste (inklusive Straßensperren) gegen ein Minenprojekt in Bagua. Insgesamt gab es seinerzeit 33 Tote darunter 23 Polizisten. Zwei Generäle der Nationalpolizei wurden inzwischen verurteilt.

3 Gedanken zu „Deutsche NGOs in Perú

  1. Es ist immer sehr interessant festzustellen, aus welcher Perspektive ein Europäer, in diesem Fall ein Deutscher, über die aktuelle Lage in Peru berichtet. Ich möchte Sie daran erinnern, dass aufgrund der großen Umwalzungen und Entwicklungen der letzten Jahren der Begriff „bitterarmes Land“ nicht für das aufstrebende Peru zutrifft. Tatsache ist, dass seit 20 Jahren eine wirtschaftliche Erholung und Wiederaufbau in diesem Land statt findet und seitdem sind mitterleweiler mehr als 50% der Bevölkerung Perus aus der Armut entgangen. Wer Peru der 1990er Jahre kennt, kann diese Veränderung bestätigen. Was Sie beschreiben, beschäftigt nicht nur NGO´s sondern auch viele Politiker und Menschen in diesem Land. Ferner finde ich persönlich der Vergleich zwischen dem o.g. reichen Bundesland, das von seinen hochtechnischen Unternehmen geprägt ist, und Peru Fehl am Platz. Schließlich werden diese Länder nicht von Hilfeleistungen verändert, sondern durch die richtigen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen.
    Mit freundlcihen Grüßen
    Carlos Hurtado

  2. Hola. Danke für den Kommentar. Ich kann Ihre Einwände durchaus verstehen, denke aber, dass meine Formulierungen durchaus abgewogen sind. Ich erwähne den wirtschaftlichen Aufstieg. Aber ein Land, in dem immer noch 40 % der Menschen unter der Armutsgrenze leben, das werde ich weiter bitterarm nennen. Wenn Sie aber mein Blog insgesamt betrachten, dann werden Sie feststellen, dass ich durchaus wenig anfangen kann, mit der Sicht vieler NGOs. Ich will das ganze Perú präsentieren und ich sehe auch die Fortschritte. Perú ist ein aufstrebendes Land, aber es gibt Probleme – bei der Schaffung des Reichtums (Abhängigkeit von Rohstoffpreisen) sowie dessen Verteilung.

  3. Nicht zu vergessen der aufgeblähte bürokratische Apparat Limas, mit meist Ultra-Kurzzeitverträgen, so dass die Tendenz gefördert wird, klare Entscheidungen und konkrete Umsetzungen in Verwaltung und Politik zu vermeiden. Wer nichts Konkretes tut, außer Zettel von einer Stelle zur anderen zu schieben, dem kann man auch keine Fehler vorwerfen. Man will ja schließlich verlängert werden. Zudem werden nach jedem Regierungswechsel nahezu komplett alle Mitarbeiter bis hinunter zu technischen Beratern entlassen und mit „loyalen“ Freunden aus dem eigenen Filz der jeweils neuen Führungstruppe besetzt. Langfristige Projekte haben so kaum eine Chance, man will sich ja gegenüber der Vorgängerregierung profilieren, indem man bei denen Fehler sucht (auch um sie alle zu entlassen), anstatt an Vorhandenes anzuknüpfen. Da werden dann auch mal schnell Phantasie-Grenzwerte runtergesetzt, damit sich staatliche Firmen besser verkaufen lassen. Auch das technische Wissen ist wenig vorhanden, und wenn, dann geht es mit den entlassenen Mitarbeitern in den Behörden und Ministerien wieder verloren. Auch sind Politik, Polizei und Minen-Interessen im ländlichen Raum aufs engste verflochten, gerade auch dort, wo Lima weit weg ist. Peru ist extrem reich UND bitterarm. Der Reichtum ist extrem ungleich verteilt, so dass die versnobte Oberschicht in ihrer Miraflores/SanIsidro/Surco/LaMolina-Blase hinter hohen Mauern, Elektrozäunen und Sicherheitspersonal lebt, sich von Empleadas, Fahrern und Gärtnern bedienen lässt und vom Haus über Privatchlub zum Wochenendhaus am Meer im Zweit-SUV mit verdunkelten Scheiben hin und her fährt.

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