Quipu – die rätselhaften Knotenschnüre der Inka

Knoten auf uralten Schnüren? Ist das für ein Blog nicht doch etwas zu ab- und durchgedreht? Ja, kann sein. Pff. Andererseits stellt sich bei den vorkolumbianischen Kulturen Südamerikas wie die der Inka eine grundsätzliche Frage: Wie haben diese komplexen Gesellschaften sich eigentlich ohne Schrift organisiert? Inhärentes Problem: eben weil es sich um schriftlose Kulturen handelt, verfügen wir über keine textlichen Quellen aus dem Innenleben des Inka-Reiches, um exakt diese Frage zu beantworten. Keine Gesetze, keine Urkunden, keine mythologischen Geschichten, keine historischen Aufzeichnungen. Zu uns sprechen nur die Steine, deren Reliefs und was man sonst so an Überresten findet. Hier Inka-Objekte, die ich in einer Ausstellung in Berlin fotografiert habe.

Geschichten aus einer Kultur ohne Schrift
Es gibt also gar keine schriftlichen Quellen über die Inka-Kultur, deren Imperium sich fast 3.000 Kilometer die südamerikanische Pazifikküste entlang und über das westliche Andenhochland erstreckte? Nicht ganz. Erhalten sind eine ganze Reihe von Texten aus der Zeit nach der Eroberung, erstellt durch die spanischen Invasoren. Diese Leute haben beschrieben, was sie gesehen haben, sie haben sich von der einheimischen Bevölkerung Dinge erzählen lassen, sie haben Chroniken erstellt. Alles, was wir heute z.B. über die Königsgeschlechter der Inka wissen, über den hierarchischen Aufbau dieser Gesellschaften, erfahren wir aus diesen Quellen. Es handelt sich aber, ähnlich wie bei den römischen Quellen über die schriftlosen Germanen, um einen Blick von Außen, was bei einer kritischen Interpretation natürlich eine wesentliche Rolle spielt. Es gibt allerdings noch eine Hoffnung, mehr aus dem Innenleben des Inkareiches zu erfahren und die liegt in den Knotenschnüren, sozusagen den peruanischen Hieroglyphen: die Quipu, von denen man seit langem weiß, dass sie eine Art Datenspeicher der Inka darstellen.

Das Rätsel der Knotenschnüre – bis heute nicht final gelöst
Aber was bedeuten die Knoten wirklich? Handelt es sich um magisch-religöse aufgeladene Objekte, ähnlich der Fetisch-Kultur afrikanischer Gesellschaften? Oder wird darin sogar die Geschichte der Inka erzählt? Haben wir es also mit einer Knotensprache zu tun? Ganz genau weiß man das bis heute nicht. Solche Rätsel stacheln Forscher naturgemäß an und die Arbeit verschiedener Wissenschaftler hat in den letzten Jahren einiges an neuen Erkenntnissen gebracht. Zum aktuellen Forschungsstand ist letzte Woche ein aufschlussreicher Artikel in der peruanischen Tageszeitung El Comercio erschienen.

Ein paar Fakten zu den Quipu

    • Insgesamt sind 734 Quipu erhalten.
    • Die größte Sammlung – 350 Exemplare – befindet sich in Besitz des Ethnologischen Museums in Berlin-Dahlem.
    • Die allermeisten Quipu, die wir heute kennen, stammen nicht aus dem Andenhochland, sondern aus den trockenen Küstenregionen. Nur dort war das Klima geeignet, sie zu konservieren.
    • Ein Quipu hat zwischen einem und bis zu 1.500 Schnüren.
    • Es gibt drei verschiedene Arten von Knoten.

  • Die Schnüre waren die Basis für Rechenoperationen mit allen 4 Grundrechenarten. Gerechnet wurde mit einer Art Rechenbrett, dem Yupan. Man kann ein solches Rechenbrett links unten auf dieser zeitgenössischen Darstellung erkennen.
  • In den Städten und Dörfern wurden die Quipu von so genannten quipucamayoc gehütet. Deren Wissen um die Bedeutung der Knoten wurde mündlich tradiert.
  • Die Benutzung der Quipu wurde auf Beschluss des 3. Konzils von Lima (1582 bis 1585) verboten.
  • Offenbar hat aber selbst das spanische Vizekönigtum den Kirchenbann missachtet und die Quipu zumindest am Anfang zur eigenen Verwaltungspraxis herangezogen. Man übernahm eben einfach die vorhandenen Macht- und Organisationsstrukturen, bis man eigene etabliert hatte.

 

Neue Erkenntnisse belegen, dass die Schnüre noch bis ins 17. Jahrhundert hinein genutzt wurden, zuletzt sogar als Teil christlich-religiöser Praxis. Offenbar haben einige Pfarrer die Nutzung als eine Art persönliches Sündenregister propagiert. Die Nutzung nahm aber dramatisch ab, als die Alphabetisierung aufgrund des Aufbaus eines christlichen Schulsystems immer weiter um sich griff.

Quipu-Pojekt in Harvard
Eines der ambitioniertesten Projekte, die Bedeutung der Knotenschnüre zu entschlüsseln, ist das El Khipu Database Project an der US-Universität Harvard. Dort werden alle verfügbaren Daten über bekannte Fadenobjekte gesammelt. Aktuell kann man detaillierte Informationen über 600 Objekte online abrufen.

Hier zum Beispiel eine Analyse eines Quipu aus Chachapoyas. Man vermutet, dass hier eine Kalenderstruktur vorliegt.

Zwei Funde, die zusammenpassen?
Bei den Forschungen in Harvard hat man inzwischen ein Quipu identifiziert, das der Schlüssel für des Rätsels Lösung werden könnte. Denn man glaubt zwei korrespondierende Dokumente zusammenbringen zu können: eben dieses Quipu mit 132 Fäden sowie eine Urkunde aus der gleichen Region. In diesem Schriftstück sind die Daten von exakt 132 Familien dokumentiert, Informationen, die ein Quipucamayoc im 16. Jahrhundert aus einem Quipu vorgelesen hat. Seine mündlichen Überlieferung wurde wiederum von einem Übersetzer ins Spanische übertragen und von einem Schreiber aufgezeichnet. Noch ist man sich nicht ganz sicher, ob Quipu und Dokument wirklich zusammengehören, aber die Zahlengleichheit macht die Wissenschaftler optimistisch, daraus weitere Erkenntnisse abzuleiten.

Dokumentation des peruanischen Fernsehen über die Quipu

Ein Universitätsdozent erläutert sein Projekt eines digitalen Yupana.

Weitere Links
Artikel in deutscher Wikipedia über die Knotenschnüre

2 Gedanken zu „Quipu – die rätselhaften Knotenschnüre der Inka

  1. Im Jahre 1992 glaubte ich die Studien über de Inkaschrift mit Genehmigung des Ältestenrates veröffentlichen zu können. Lediglich P.M. hat in der Ausgabe 12/92 etwas gebracht.
    In Europa: kein Interesse an der Wahrheit.
    Ich hatte mitgeteilt, mit Beispielen, wie die Inkaschrift gelesen wird. Hier lachen sich schon die Kindergartenkinder kaputt, wenn sie das Spiel machen, in dem einer in der Runde dem anderen etwas ins Ohr flüstert. Was kommt heraus?
    Und die Chaskis haben also auf ihren fast 6000 km langen Reich ihren Kollegen nur die Befehle des inka aus Cuszco ins Ohr gelüstert?
    Der SPIEGEL hat seine weisheit angeblich von der Inkaausstellung in Stuttgart.
    Und dafür gibt der Bundespräsident eine Million aus, um die spanischen Fälschungen weiter zu vertiefen?
    Besser angelegt wäre ein Teil des Ausstellungszuschusses für die Universidad de la Indianidad.
    Schade, daß die Lügen weitergehen.

    • Hallo. Danke für die Hinweise. Ehrlich gesagt verstehe ich aber nicht so richtig, auf was das hinausläuft… Welche Interpretation ist denn falsch?

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