Gamarra (Lima): 200.000 schuften im Textilzentrum Südamerikas

Neulich auf diese Geschichte verstoßen, im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen von Markthändlern in Lima. Es kam nämlich nicht nur zu blutigen Straßenschlachten mit der Polizei sondern auch zu massiven Plünderungen mit einem Schaden von einer Million USD. Es geht um Gamarra, das größte Textilzentrum Südamerikas. Mitten in dem Stadtteil La Victoria gelegen arbeiten in den dutzend Straßenzügen vermutlich bis zu 200.000 Menschen an der Herstellung und dem Handel mit Textilien aller Art.

Fotos aus Gamarra in dieser Galerie bei Flickr

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann die Geschichte von Gamarra mit dem Bau mehrerer Textilfabriken, ausgestattet mit damals neusten Maschinen. Darum herum entstand nach und nach ein Arbeiterviertel sowie der riesige Großmarkt La Parada. Tausende von Kunden aus Lima und Umgebung, ja aus ganz Perú und Südamerika strömen seit 50 Jahren täglich in die Straßenzüge mit tausenden von Einzelhändlern. Bis zu 20.000 kleine Unternehmen soll es inzwischen geben.

Das wirtschaftliche Geschehen ist geprägt von informeller Ökonomie. Es gibt Schätzungen, dass dem peruanischen Staat dort 2 Milliarden USD Steuern pro Jahr entgehen. Offenbar hat man das Treiben jahrelang geduldet, weil tausende von Arbeitsplätzen entstanden sind, mit natürlich oft erbärmlichen Bedingungen. Denn Gamarra ist bisher vor allem eins: eine riesige Maschine, die für einen halben Kontinent billige Kopien von Markenklamotten zusammennäht und auf die Märkte schleust.

Inzwischen versucht die Regierung mit gezielten Programmen, die Qualität der produzierten Ware zu erhöhen und das Viertel aufzuwerten. Eine Maßnahme, um den informellen Handel zurückzudrängen: Neubau eines Großmarktes an anderer Stelle und Schließung von La Parada, was zu den Protesten führte. Die Gegend soll aufgewertet werden, man will mit dem Pfund und dem entstandenen Spezialistenwissen wuchern. Sogar US-Außenministerin Hilary Clinton war neulich in einer der Galerias zu Besuch.

Auf diesem Foto Abgeordnete des Parlaments, die mit einer Aktion in Gamarra auf das neue Verbraucherschutzgesetz hinweisen, das seit 1. Oktober 2012 in Kraft ist..

En Defensa del Consumidor

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von mittelständigen Unternehmen, die eigene Marken entwickelt haben und auf den Markt bringen. Ein Beispiel ist ein Unternehmen wie Rooftop. In 5 Jahren hat Rooftop eine Million T-Shirts hergestellt und vertrieben. Inzwischen sind Herstellungskapazitäten für die komplette Bandbreite textiler Produktion im Angebot. Exportiert werden die in Gamarra genähten Teile nach Chile, Bolivien, Ecuador, Venezuela, República Dominicana und Cuba.

Oder das Unternehmen Morenna, das Freizeitmode für Damen und Herren entwirft, anfertigt und in eigenen Geschäften in drei Galerias vermarktet. Galerias gibt es dutzende in Gamarra, im Grunde ähneln sie Kaufhäusern, nur das sie parzelliert an Einzelhändler verpachtet werden. Morenna ist mit den eigenen Shops auf der gesamten Wertschöpfungskette präsent.
Übersicht der Galerias

Und das sind keine Einzelfälle. 1.000 Unternehmen sollen bei dem Wettbewerb des „Produktionsministeriums“ Gamarra Produce Unterlagen eingereicht haben. In vier Kategorien sollten die Geschäftsleute ihre Produkte prüfen lassen und sich einer Jury stellen. Es wurden Modenschauen veranstaltet und Gewinner gekürt. Das Potenzial ist also vorhanden, die Ergebnisse allerdings optimierbar. Die in den Videos gezeigten Gewinnerkollektionen wirken trotz schriller Buntheit doch eher bieder.

Dass es auch anders geht, zeigt die junge Designerin Lucia Cuba, die mit ihren Kollektionen unter dem Namen Lucco Furore macht und inzwischen auf der New Yorker Fashionweek präsent ist. Dass Gamarra sein Image allerdings nicht so schnell los wird, zeigt auch der Umstand, dass die Unternehmenszentrale von Lucco nicht im Textilzentrum selbst residiert, sondern im hippen Szeneviertel Barranco. In Gamarra wird nur produziert …

| Fundstück nebenbei: ziemlich freche Fashionbloggerin aus Lima http://www.theandrogyny.com

Werbefilm der Regierung zu dem Wettbewerb Gamarra Produce

In diesem Videobericht eines TV-Kanals werden Platz 1 und 3 des Wettbewerbs interviewt. Auffällig: beide heben die „starken Farben“ ihrer Entwürfe hervor.

Portal zu Gamarra

Neue Tourismuskampagne Perús in Deutschland gestartet

Die peruanische Agentur PROMPERÚ ist eine staatliche Institution, die unter anderem damit beauftragt ist, den Tourismus im Land zu fördern. Um diesen anzukurbeln und die touristischen Möglichkeiten des Landes einer breiteren Öffentlichkeit im Ausland vorzustellen, läuft aktuell eine neue Kampagne. Außerdem wurde dieser Werbespot produziert, der jetzt auch auf Deutsch vorliegt. Präsentiert haben den Isabella Falcó, Leiterin Auslandsimage bei PromPerú, und José Antonio Meier, Botschafter der Republik Peru in Deutschland, letzte Woche in Berlin.

Vielleicht etwa sentimental gestrickt, zeigt das Video letztlich die ganze Vielfältigkeit des Landes: Surfen im Pazifik, Trekking in den Anden, Dschungelerlebnis im Amazonasgebiet. Die allgegenwärtige Gastronomie darf nicht fehlen.

Via W&V