Präkolumbianische Kulturen Perús (II): Die Inca

Die Hochkulturen Altmerikas, die Zivilisationen vor Kolumbus – es gab viele. Nicht alle waren erfolgreich, aber eine hat es bis in die Moderne geschafft: die Inca.

Die Inca (deutsch: Inka) sind im modernen Perú allgegenwärtig. Sie sind Glanzlicht des Tourismus und zugleich Teil der Populärkultur. Wenn es um das „ursprüngliche“ Perú geht, fällt unweigerlich ihr Name. Deshalb findet sich Inca als schmückendes Beiwort, das nationale Verbundenheit kommuniziert, in vielen Geschäftsnamen und Produkten. Der allgegenwärtige Softdrink Inca Kola ist nur ein Beispiel. Die Inca gelten als DIE Urperuaner schlechthin und sind Volksheilige zugleich.

Was aber genau waren nun diese Inca, die den Andenraum seit Mitte des 15. Jahrhunderts beherrschten und dann von den Spaniern entmachtet wurden?

Ausdehnung des Reiches der Inca (aus Wikipdia, Quelle = Bildklick)

Die Quellenlage über die Geschichte der Inca ist wie bei allen präkolumbianischen Zivilsationen Südamerikas eher schlecht. Die fehlende schriftliche Überlieferung lässt Lücken. Allerdings ist heute einiges über die Geschichte und die Lebensumstände bekannt. Umfangreiche Ruinenfelder und Gräber mit tausenden Fundstücken sind inzwischen professionell ausgewertet. Dazu treten die spanischsprachigen Zeugnisse, in denen kurz nach dem epochalen Wandel mündliche Traditionen festgehalten wurden.

Die Inca bildeten zunächst in den Anden des südlichen Perú um Cusco herum staatliche Strukturen. Dieser Prozess begann 1.000 nChr. Ackerbau (Mais, Kartoffel), Viehzucht, Handwerk, Metallurgie, ein strenger imperialer Kultus mit blutigen Ritualen – aus diesen mit Gewalt organisierten Formationen wurde im Laufe der Zeit ein veritables Königreich (ab ca 1200). Das dehnte sich dann mit hoher Agressivität auf den gesamten nördlichen Andenraum aus – von Ekuador über Bolivien bis nach Nordchile. Dort existierende Kulturen wurden brutal unterworfen und in das Herrschaftssystem integriert, zuweilen recht oberflächlich.

El Inca: der Gottkönig an der Spitze
An der Spitze des Inka-Staates stand eine Art Gottkönig, el inca. Eine politisch-religiöse Elite hielt Infra- und Verwaltungsstrukturen über viele tausende Kilometer aufrecht. Der Apparat war so stabil, dass die Spanier sich dieser Strukturen zunächst bedienten. Nach der Machtübernahme setzten sie eigene, abhängige inca ein, um die Ressourcen des Reiches abzuschöpfen. Zumindest so lange, bis sie einen eigenen Machtapparat aufgebaut hatten. Das dauerte jedoch, denn der nun folgende koloniale Wandel stellt sich ungefähr so dar: Raubbau und Entvölkerung der Anden, Verfall der Inca-Strukturen, zwei-drei Jahrhunderte Apathie, langsamer Wiederaufbau spanischsprachiger, zentralstaatlicher Organisation. Bis die spanische Kultur in den Dörfern der unzugänglichen Täler Einzug hielt, sollte es noch lange dauern und ist nie vollständig gewesen.

Inca-Könige als Volkshelden
Die berühmtesten Inca-Könige sind heute in Perú Volkshelden bis hin zur politischen Vereinnahmung. Dazu gehört natürlich Atuahalpa, der an der Macht war, als die Spanier eintrafen und ihn 1532 gefangenahmen.
Vor allem aber Túpac Amaru, der im April 1572 den Spaniern den Krieg erklärte, mit seiner Streitmacht unterlag und im November in der alten Inca-Haupstadt Cuzco öffentlich hingerichtet wurde. Túpac Amaru gilt als der letzte Inca, als eine tragische Figur. Eine der aktivsten Terrorgruppen der peruanischen Politik zwischen 1980 und 2000, die für den Tod von 1.300 Menschen  verantwortlich gemacht wird, nannte sich Movimiento Revolucionario Túpac Amaru.

Volksmusik aus den Anden
Kulturell sind die Inca heute massiv, jedoch oberflächlich, beinahe folkloristisch präsent. Gleichwohl: ihre Sprache Quechua wird von vielen Millionen Menschen gesprochen, wenn auch kaum gepflegt. Die Namen von Landschaften, Orten, Pflanzen und Kulturtechniken haben Wurzeln in der Inca-Kultur. Darunter ist allerdings auch Volkstumsglauben bis hin zum beinahe schmanistischem Kult der Pacha Mama, der Mutter Erde. Politiker aus der Hauptstadt treten inzwischen in den Andenprovinzen grundsätzlich mit irgendeinem Versatzstück lokaler Inca-Trachten auf. Die Inca sind angesichts der wiederentdeckten indigenen Vielfalt so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner des indigenen Elements in der peruanischem Öffentlichkeit. Das setzt sich fort in der Populärmusik

Hier andinische Volksmusik auf Niveau Kastelruther Spatzen

Andererseits der Jazzmusiker Jean-Pierre Magnet mit seinem Andino-Jazz

Offizielles Video über eine Folklore-Produktion des Staatlichen Peruanischen Nationaltheaters in Lima.

Hier als Schnulze aufbereitet, nur noch Versatzstücke, von der populären Sängerin Amanda Portales

Das nationale Wahrzeichen: Machu Picchu
Weltberühmt sind die Inca durch die Bergstadt Machu Picchu geworden, die von ihnen ab Mitte des 15. Jahrhunderts auf 2.500 Meter Höhe errichtet wurde. Die Stadt war nie ganz verlassen, wurde 1924 durch einen US-Amerikaner „entdeckt“ und wieder zugänglich gemacht. Machu Picchu ist heute eines der meistfotografierten Touristenmotive der Welt und für Perú ein nationales Wahrzeichen wie die ägyptischen Pyramiden oder der Eiffelturm.

Ausstellung in Berlin über die Inca
Hier Fotos aus einer sehr empfehlenswerten Ausstellung im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem, die ich mir vor zwei Wochen angeschaut habe.

Inca: Waffen
Waffe

Inca: Kriegsszenen – nackte Gefangene werden blutend abgeführt.
Kriegszenen

Inca: Mais (Metallobjekt)

Mais als Metallobjekt

Inca: Menschenopfer
Menschenopfer

Inca: Werkzeuge
Werkzeug

Inca: Färbemittel

Farbstoff

Inca: Instrumente

Instrumente

Inca: Rauschszenen (links das Maisbier Chicha, rechts Coca)
Drogen

Hier alle 83 Fotos der Ausstellung in einer Diashow

Präkolumbianische Kulturen Perús: Die Moche

1492 entdeckte Kolumbus Amerika, 1532 übernahmen die Spanier Perú. Was aber war davor? Wie sah die peruanische Antike aus, wie das Mittelalter? Der schmale Küstenstreifen entlang des Pazifik und die Täler der Anden sind bereits seit Jahrtausenden besiedelt, von einander ablösenden und gegenseitig beeinflussenden Kulturen. Aus Sammlern und Jägern entwickelten sich Ackerbauern und Viehzüchter, Handwerker, religiöse und politische Eliten, urbane Zentren und ganze Reiche. Eine der frühesten Hochkulturen sind die Moche. Statt ausführlicher Wikipedia-Artikel  hier ein paar Fakten und Bilder über die Kultur der Moche.

Siedlungsgebiet der Moche im Norden Perús

  • Zeitraum der Moche-Kultur: etwa 200 v.Chr. bis 800 n.Chr.
  • Ausbreitungsgebiet: in den Tälern und dem Küstenstreifen im Norden Perús
  • Ackerbau: Mais, Bohnen, Kartoffeln mit Bewässerungssystem sowie Nutzviehhaltung
  • Handwerk: Keramik, Metallurgie, Lehmziegelbau, Steinbearbeitung
  • Politik: hierarchisch-diktatorische Systeme, kriegslüstern
  • Religion: komplexe Kosmologie ist Kern aller Kultur mit strengen, blutigen Ritualen
  • Kultur: mündliche, nahezu schriftlose Tradition. Aller Ausdruck ist religiös-rituell
  • Drogen: Zwei Rauschmittel haben einen hohen Stellenwert in der Moche-Kultur: Das Getränk Chicha aus vergorenem Mais und die Blätter des Coca-Strauches.
  • Städtebau: Lehmziegelarchitektur, Kulträume und Gräber als aufwendige Pyramiden
  • Ende: Städte wurden vermutlich auf Grund ökologischer Großkatastrophe (Dürre) aufgegeben.

Alles, was wir von den Moche wissen, sind Rückschlüsse aus Ruinen und Gräbern, die aus dem Sand ausgebuddelt wurden. Solche Spuren allerdings gibt es inzwischen reichlich, dank des trockenen Klimas. Die Menschen verschwanden und die Städte und Bauten verwandelten sich in Sandberge. Allein die Sammlung des Museo Tumbas Reales de Sipán umfasst tausende von Keramikstücken, (Edel-)Metallteilen, Textilien, Holzresten, Waffen usw. Das Museum befindet sich in Chiclayo, 800 km nördlich von Lima, wurde 2002 neu errichtet und enthält Funde aus in den 90ern gesicherten Königsgräbern.

So viel steht fest: die Moche verfügten über entwickelte Technologien, um derartige Dinge herzustellen, um zumindest zeitweise einen Staat aufrechtzuerhalten, der aber offenbar blutrünstig war. Menschenopfer im großen Stil sind belegbar.

Ich war im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem. Dort befindet sich eine kleine Ausstellung über die präkolumbianischen Kulturen Perús.

Keramik der Moche
Mann mit Cocatasche auf dem Rücken.
Gefangener

Keramik der Moche
Keramikobjekt

Ein Maiskolben (Metall) aus der Moche-Kultur
Mais als Metallobjekt

Silberobjekt aus der Moche-Kultur
Silberobjekt

Keramik der Moche
Keramikobjekt

Keramik der Moche (Fischfang)
Keramikobjekt

Keramik der Moche
Keramikobjekt

Keramik der Moche
Keramikobjekt

Nett anzuschauendes Amateur-Video über die Ausgrabung der Huaca del Sol y de la Luna in Trujillo. Dort befindet sich eine große Lehmziegelpyramide, die innen sehr aufwendig gestaltet wurde.

Die indigenen Völker Perús

In der Geschichte Lateinamerikas gibt es viele Erzählungen, die nichts anderes sind als reine Propaganda der westlichen Zivilisationen. Eine davon lautet: Als die Spanier den Kontinent eroberten, trafen sie auf eine primitive indigene Bevölkerung. Diese wurde entweder in Kriegen auf Grund unterlegener Technik abgeschlachtet, als Arbeitssklaven in Bergbau und Plantagenwirtschaft vernichtet oder durch vorher unbekannte Krankheiten dezimiert. Das Ergebnis: ein leerer Kontinent ohne Besitzer, auf dem die Europäer Kultur, Wirtschaft und Staaten neu aufbauten.

Diese Erzählung ist eine Lüge. Zwar hat es alle diese Erscheinungen gegeben, aber die Wahrheit ist viel komplizierter. Tatsächlich hat es immer eine gewisse Anzahl indigener Bevölkerung gegeben. Trotz fünf Jahrhunderte kolonialer Repression und kultureller Ausgrenzung gibt es bis heute viele indigene Gruppen, die ihre Sprachen, ihre Kultur und ihre Lebensräume bewahrt haben. Wahr ist aber auch: diese Völker sind sozial ausgegrenzt, ihre Kultur wird bekämpft, ihre Sprachen sind bedroht.

In den letzten Jahrzehnten hat sich allerdings in Lateinamerika zumindest in einigen Teilen der Gesellschaften ein Sinneswandel vollzogen. Das indigene Selbstbewusstsein ist erwacht. Nicht zuletzt seit den politischen Erfolgen des bolivianischen Präsidenten Evo Morales ist offenbar geworden: sie sind noch da, die „Indios“, sie existieren. Und sie beginnen sich als politische Macht zu organisieren. Wobei man gewisse Teile dieser politischen Bewegungen nicht romantisieren sollte. Gemessen an europäischen Maßstäben gibt es durchaus nationalistische Auswüchse, patriarchale Strukturen bis hin zu offenem Rassismus. Repression hat eben viele negative Konsequenzen…

Ich kann an dieser Stelle nicht die komplexen (und sublimen) sozialen Ausgrenzungen der indigenen Bevölkerungsgruppen in der peruanischen Gesellschaft nachzeichnen, aber trotzdem an dieser Stelle mal ein ungefährer Überblick über die indigenen Ethnien Perús. Aussagen über den tatsächlichen Anteil dieser Gruppen an der peruanischen Bevölkerung sind naturgemäß schwierig. Das hängt vor allem mit den Kriterien zusammen, die man anlegt, und an den Unterschieden zwischen Selbst- und Außenansicht.

Wie viele also sind es? Mehr als man gemeinhin annimmt jedenfalls. Die Zahlen bewegen sich zwischen 14 und 30 Prozent der knapp 30 Millionen Peruaner. Insgesamt, so das Instituto Nacional de los Pueblos Andinos, Amazónicos y Afroperuanos (INDEPA) – Nationales Institut der andinen, amazonischen und afroperuanischen Völker – gibt es in Perú 77 Ethnien, 68 Sprachen und 16 so genannte ethnolinguistische Familien. Hier die wichtigsten.

Die Quechua-Völker
Die größte indigene Gruppe sind die Quechua und sich ihrerseits wieder in diverse Untergruppen teilen. Insgesamt handelt es sich um etwa 8 Millionen Menschen, die hauptsächlich in den Hochebenen und Tälern der Anden Perús, Boliviens und Ecuadors leben. Die Quechua verstehen sich als direkte Nachfahren der Inka. Der Name leitet sich ab von der Sprachfamilie Quechua, deren einzelne Sprachen recht unterschiedlich sein können, vergleichbar mit der linguistischen Systematik zb der romanischen Sprachen. Insgesamt gibt es über 20 Varietäten. Im 20 Jahrhundert ist die Zahl der Sprecher gesunken, da nun die spanischsprachigen Schulen bis in die letzten Ecken des Landes reichten. In Perú sollen über drei Millionen Quechua leben. Aus dem Quechua stammen viele Namen von Städten, Dörfern, Flüssen und Bergen aber auch Früchten, Tiere usw. Die bekanntesten Quechua-Lehnworte im Deutschen sind der Kondor (v. kuntur), das Lama, der Puma oder Coca.

Hier ein Video mit der peruanischen Sängerin Yma Sumac, die auf Quechua singt.

Infos über Quechua auf Spanisch:
Wikipedia auf Quechua

Die Aymara
Nach dem Zensus von 2007 soll es in Perú eine halbe Million Sprecher des Aymara geben. Hauptsiedlungsgebiet in Perú ist die Region rund um das westliche Ufer des Titicaca-Sees. Auch hier gibt es wieder Untergruppen, wie die Lupacas oder die Uru, deren Sprache wohl ausgestorben ist. Andere Sprachen stehen kurz davor und werden von internationalen Organisationen versucht zu bewahren. Die Geschichte dieser Gruppen soll bis in die Zeit vor den Inka zurückreichen.

Die Amazonas-Völker
Ich fasse jetzt mal grob zusammen, denn Perú ist das Land mit dem größten Anteil am Amazonasbecken nach Brasilien. In diesen abgelegenen Regionen haben sich viele unterschiedliche Sprachen und Völker entwickelt, die bis heute nicht vollständig erforscht sind. Die größte Gruppe sind die Aguaruna, die 45.000 Menschen zählen und an der Grenze zu Ecuador leben. Andere Ethnien sind wesentlich kleiner bis hin zu den Tacana, die nomadisch und verstreut im peruanischen Regenwald leben und 600 Menschen zählen.

Die Grafik verdanke ich Herrn Bruder vom Freundeskreis Peru Amazónico, der sie seinerseits bei einem Besuch an der Universität in Pucallpa fotografiert hat.

Randnotiz: In Perú sollen 1.500 Deutsche leben.

Infos auf Spanisch zur ethnischen Vielfalt Perús

Literarischer Andenkrimi: Roter April von Santiago Roncagliolo

Fundstück aus dem Ramsch bei Zweitausendeins: deutsche Ausgabe des Romans Abril Rojo (Roter April) des peruanischen Autors Santiago Roncagliolo, erschienen 2008 in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp.

Im Grunde handelt es sich um eine Art Kriminalroman, der in der Andenmetropole Ayacucho im Frühjahr 2001 spielt. Im Kern geht es um den Versuch eines untergeordneten Bezirksstaatsanwalts eine brutale Mordserie aufzuklären. Bei seinen Ermittlungen gerät er in die Abgründe der peruanischen Geschichte – jene Jahre des Terrors und Gegenterrors in den Anden zwischen 1985 und 2000. Die Massaker und Gräuel der kommunistisch-maoistischen Organisation Sendero Luminoso auf der einen und den Staatsterror mit Tod und Folterungen von Militär und Geheimpolizei auf der anderen Seite.

Der Staatsanwalt glaubt an das geschriebene Recht und wird schnell eines Besseren belehrt. Die wahre Macht geht von undurchsichtigen Militärs aus, die für die Landbevölkerung nur Verachtung übrig haben und vor keinem Mittel zurückschrecken, um die Aktionen von Resten des Sendero zu unterbinden. Der Autor schildert drastischen Szenen, die man allerdings angesichts der tatsächlichen Brutalität der Geschehnisse als realistisch einstufen muss. Pittoresker Hintergrund des gesamten Szenarios bilden die exzessiven Osterfeierlichkeiten in Ayacucho mit ihrer Mischung aus inbrünstigem Katholizismus und der mystischen Feierkultur der indigenen Bevölkerung der Anden.

Insgesamt eine empfehlenswerte Lektüre, eine literarisch sehenswerte und würdige Aufarbeitung dieser dunklen Jahre.

Roncagliolo, geboren 1975 in Lima, lebt seit Jahren in Spanien und hat diverse Romane, Novellen und Stücke für Film und Fernsehen geschrieben. Abril Rojo wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

Der Anbau und die Produktion von Kokain in Perú

Perú ist heute neben Kolumbien der größte Produzent von Kokain in Südamerika. Mehrere Dutzend Clans in den östlichen Andentälern teilen sich das Geschäft auf. Der Staat greift zu immer härteren Methoden, den Kokainbusiness zu stören. Die Kokainmafia ihrerseits wird immer gewalttätiger. Im Folgenden ein paar Fakten über den Kokainanbau in Perú

Eine Droge zerstört Südamerika: Kokain. Die Beispiele für die verheerenden Konsequenzen sind Legion. Kolumbien ist zwischen 1980 und 2000 in einen Bürgerkrieg abgerutscht, als sich die Kokabarone des Staates bemächtigen wollten und die diversen Guerillas sich zu veritablen Großproduzenten und Schmugglern aufschwangen. Mexiko versinkt in mörderischen Bandenkriegen, die sich mit ihrer Kultur der Gewalt immer tiefer in die Zivilgesellschaft hineinfressen .

Die Frage ist: kommt Perú als Nächstes?

Noch ist es einigermaßen ruhig, aber das kann sich schnell ändern. Erst letzte Woche wurden in den Andenprovinzen von so genannten narcoterroristas

  • zwei Hubschrauber der staatlichen Gasgesellschaft in die Luft gejagt, die auf einem Privatflugplatz standen. Der wird auch von den Anti-Drogenkommandos der peruanischen Armee genutzt.
  • zwei Polizisten bei einem Anschlag getötet. Die Attentäter verübten einen Sprengstoffanschlag auf ihren Polizeiwagen.

Aber wie ist der Drogenanbau und -schmuggel eigentlich organisiert in Perú? Welche Ausmaße hat das Problem?

Dazu sind wir auf eine umfangreiche Recherche der Reporter von IDL gestoßen, einer Gruppe von unabhängigen Journalisten, die grade erst einen renommierten Preis für investigativen Journalismus in Lateinamerika gewonnen haben.

Aus diesem Dossier ergibt sich folgendes Bild:

  • Perú ist heute neben Kolumbien mit einer Jahresproduktion von etwa 300-400 Tonnen der größte Kokainproduzent der Welt.
  • Insgesamt wird die Anbaufläche in Perú auf etwa 60.000 Hektar geschätzt.
  • In den Andentälern der Flüsse Apurimac, Ene und Mantaro – dieses Gebiet wird als VRAEM (Valle del Río Apurímac, Ene y Mantaro) bezeichnet – werden auf etwa 20.000 Hektar Kokain im lokalen Wert von 200 Mio USDollar produziert.
  • Den Anbau und die Vorproduktion der Kokapaste teilen sich im VRAEM 16 Clans untereinander auf, die jeweils 300 bis 500 Kilo der Droge pro Monat herstellen.
  • Ein weiteres Hauptanbaugebiet liegt in der Hochebene von Huallaga, mit einer Jahresproduktion von 90 Tonnen.
  • Das Kokain wird auf verschiedenen Routen nach Norden (Kolumbien) und Süden (Bolivien) geschmuggelt. Es kommen Rucksackträger zum Einsatz, aber auch Lastwagen werden entsprechend umgebaut. Über Landepisten im Dschungel wird ein reger Flugverkehr mit kleinen Propellermaschinen abgewickelt mit bis zu drei Starts pro Tag, die bis zu einer halben Tonne Ladung transportieren können.
  • Wenn der Preis für Kokain in Huallaga indiziert 1 beträgt, so steigt er auf 11, wenn er in Mexiko landet. In Spanien dann auf 45 und in Russland auf 109.

Der peruanische Staat reagiert. Hatte er bis 2006 fast völlig die Kontrolle über VRAEM verloren, besserte sich die Lage durch massiven Einsatz von Spezialkräften etwas – mit all den verheerenden Nebenwirkungen, die der unbarmherzige Kampf gegen die „Drogenterroristen“ – narcoterroristas – unter den Bewohnern der betroffenen Gebiete immer wieder fordert.

Trotzdem: Perú bekommt die Lage nur oberflächlich in den Griff. Die Reste von Sendero Luminoso haben den Drogenanbau und -schmuggel als wirksames Mittel entdeckt, ihre Kassen aufzubessern. Angeblich sollen sie schon 30 Prozent des Kokainhandels „kontrollieren“ – also vor allem Schutzgeld von den Clans erheben – angeblich im VRAEM bis zu 100.000 USD pro Monat.

Der Kampf gegen die Droge in den Anden ist allerdings schwierig, denn coca ist fest in die Alltagskultur der andinen Gesellschaften verwurzelt, auch wenn der Genuss der stimulierenden Pflanzenblätter in präkolumbianischen Zeiten religiösen Eliten vorbehalten war. Das hat sich geändert und Coca kann als Volksdroge in den Andenstaaten bezeichnet werden. Der traditionelle Genuss vor allem als Tee bzw. in zerkauter Form ist mehr oder wenig erlaubt. Vor allem durch den Aufstieg des Kokabauern Evo Morales zum Präsidenten von Bolivien hat sich die Sicht auf den traditionellen Kokaanbau verändert.

Tee mit Blättern des Cocastrauches

Coca tea

Die Hauptanbaugebiete von Coca in Perú


Anbaugebiete Kokain Perú auf einer größeren Karte anzeigen