Mototaxis: Öffentlicher Nahverkehr auf Peruanisch

Sie knattern durch die peruanischen Städte: Mototaxis. Es handelt sich dabei um dreirädrige Gefährte, die vorne aussehen wie ein Motorrad (ein Vorderrad, Lenker) und hinten einer überdachten Rikscha (zwei Räder, Sitzbank) ähneln. Mit Fahrer können maximal vier Personen damit befördert werden. Bei den Aufbauten finden sich unterschiedlichste Formen – von der quasi nur überdachten Freiluftversion bis hin zur vollverkaspelten, autoähnlichen Fahrgastzelle.

Aufmerksam geworden bin ich auf dieses Phänomen durch eine Meldung aus der nordperuanischen Küstenstadt Chiclayo. Dort haben sich in den letzten Monaten 1.000 Mototaxistas, also die Lenker eines Mototaxis, einer Schulung unterzogen. Inhalt des eintägigen Kurses sind Verkehrssicherheit, Erste Hilfe, Regularien der Haftpflichtversicherung und allgemeine Tipps zur Qualitätsverbesserung des Dienstes. Insgesamt sollen in der Region 3.000 Fahrzeugführer diese Schulung mitmachen. In Anbetracht von 530.000 Einwohnern eine ziemlich große Zahl.

CHAOS! First impression of Perú

Wie aus diesem Dokument von 2011 hervorgeht, sind die Mototaxis in ganz Perú ein Massenphänomen. 900.000 dieser Transportfahrzeuge soll es im Land geben. Die Klagen über das Chaos, dass sie im Straßenverkehr verursachen, den Lärm und die Unfälle sind Legion.

Seit etwa 20 Jahren verbreiten sich die Vehikel in Perú. Ursprungsland ist, wenn wundert’s, Indien. Heute kommen 90 Prozent der Mototaxis aus China.

In dem Dokument werden noch weitere Probleme genannt, unter der die Branche zu leiden hat bzw, die sie verursacht.

  • Schlechte Straßen, vor allem außerhalb der großen Städte
  • Probleme mit Haltestellen in den Städten
  • Unfälle: die Gefährte sind in dem Sinne nicht als sicher zu bezeichnen. Eine weitere Studie über die Situation der Mototaxis in der Stadt Ica zitiert eine Polizeistatistik. Demnach sind an 43 % der Unfälle Mototaxis beteiligt. Zum Vergleich Autos: 40%.
  • Offenbar stellen die Fahrer ein beliebtes Ziel von Banditen dar. Vor Raubüberfällen scheinen die Fahrer mehr Angst zu haben als vor Unfällen.
  • Es handelt sich zumeist um informelle Wirtschaft mit allen Konsequenzen, die das hat: Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes, Lohndrückerei usw.
  • Smog. Die Vehikel tragen einen großen Anteil zur Luftverschmutzung in den Großstädten bei.
  • Der technische Zustand ist bei vielen Fahrzeugen nicht zufriedenstellend.

Trotz allem: dieser doch problematische Teil des Öffentlichen Transports, der allerdings zu wesentlich geringeren Kosten realisiert wird als Autotaxen oder Busse, stellt einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung dar. In Ica zum Beispiel soll jeder 8. Einwohner direkt oder indirekt davon abhängen.

Mototaxis im Straßenverkehr

Hier ein Video eines Backpackers, der mit einem Mototaxi über die Anden gefahren ist.

Bericht über einen Wettbewerb mit Mototaxis, in dem man die verschiedenen Formen sieht.

Facebook in Perú: die 20 größten Fanpages

Was sagt eine Liste der 20 erfolgreichsten Facebook-Pages über ein Land? Ich finde, so einiges. Welche Leidenschaften, welche marktdurchdringenden Konsumgüter, welche Institutionen auf dieser Liste erscheinen – es lässt tief blicken in die Alltagskultur einer Gesellschaft. Noch nicht über zeugt? Hier die Liste…

Auf der Basis einer Auswertung eines peruanischen Marktforschungsinstituts habe ich mir die erfolgreichsten peruanischen Seiten bei Facebook angeschaut. Facebook ist in Perú noch beliebter als in Deutschland. Nach den in der Studie genannten Zahlen haben sich 9,5 Millionen PeruanerInnen dort angemeldet, also über ein Drittel der Bevölkerung. In Deutschland sollen sich aktuell etwa 23 Millionen registriert haben – 28 Prozent.

Hier die Liste, die einen ganz interessanten Einblick in die Wünsche der peruanischen Gesellschaft geben, vor allem natürlich der jungen Leute unter 24, die die Hälfte der peruanischen Facebook-Nutzerinnen stellen. Übrigens: Die Geschlechter sind fast gleich stark in dem Sozialen Netzwerk vertreten.

1. Al Fondo hay Sitio – 1,4 Mio Fans www.facebook.com/AFHSTV
Klassische Telenovela, die seit März 2009 ausgestrahlt wird. Titel in etwa: Hinten hat es noch Platz. Ein Großteil der Spannung bezieht die Serie aus dem Gegensatz zwischen Stadt und Andenhochland, denn es treffen zwei Familien unterschiedlicher Herkunft aufeinander: Zum einen die Familie Gonzales, die auf Grund einer Erbschaft aus den Bergen in eine exklusive Wohngegend Lima gezogen ist. Zum anderen ist da die Familie Maldini, Mitglied der versnobten reichen Oberschicht, die sich ob der neuen Nachbarn jedes Mal auf Neue mokiert. Hier prallen Welten aufeinander, eine Situation, mit der sich die Peruaner offenbar identifizieren können. Gleichzeitig sieht man hier ein Muster bestätigt, das man aus anderen Ländern mit vergleichbarer Sozialstruktur kennt: das (zumeist arme) Publikum schätzt die vermeintlichen Einblicke in die bessere Gesellschaft – eine Welt, die ihnen im Alltag verschlossen bleibt. Und sieht dann, dass dort zwischenmenschlich ebenfalls einiges im Argen liegt.

2. Cua Cua – 1,2 Mio Fans www.facebook.com/cuacuakraft
Die Seite ist ziemlich schrill und man versteht zunächst gar nicht so richtig, worum es eigentlich geht. Bei Cuac Cuac (deutsch: Quak-Quak) um einen Schokoriegel des US-Nahrungsmittelkonzerns Kraft. Um die Entenfigur ist außerdem, forciert durch deren Marketing, so eine Art Tanzkult entstanden, vergleichbar mit dem aktuellen Phänomen Gangnam Style. Bei YouTube finden sich jedenfalls entsprechende Videos mit über 20 Millionen Ansichten . Hier ein Beispiel.

3. Cineplanet – 1,2 Mio Fans www.facebook.com/cineplanet
Eine Kette mit Multiplexkinos, die in ganz Perú präsent ist. Ich zähle 20 Standorte. Im Programm ausschließlich die hinlänglich bekannte, weltweit erfolgreiche Hollywood-Ware.

4. Movistar – 1,2 Mio Fans www.facebook.com/movistarperu
Telefongesellschaft, die in ganz Südamerika präsent ist. Es handelt sich um ein Unternehmen der spanischen Telefónica. Der peruanische Ableger ist größter Anbieter mobiler Telefondienstleistungen des Landes mit aktuell über 7 Millionen Kunden.

5. Combate – 1,1 Mio Fans www.facebook.com/ATVcombate
Reality-Show, bei der eine Gruppe von jungen Leute verschiedene Aufgaben erledigen muss. Die aktuelle Staffel hat im August begonnen und läuft ein Jahr lang.

6. Saga Falabella – 1,1 Mio Fans www.facebook.com/sagafalabella
Eine peruanische Kaufhauskette mit zumindest 14 Outlets in allen großen Städten Perús vertreten. Aktuell mit der neuen Sommermode – Sandalen…

7. Ripley – 1,1 Mio Fans www.facebook.com/RipleyPeru
Ebenfalls eine Kaufhauskette, ursprünglich aus Chile. 12 Kaufhäuser gibt es von Ripley in Perú.

8. Inca Kola – 1 Mio Fans www.facebook.com/IncaKola
Es handelt sich um ein nichtalkoholisches Getränk, das es bereits seit 1935 in Perú gibt. Wichtigster Aromabestandteil ist Zitronengras, kein Wunder, handelt es sich doch um ein Plagiat eines asiatischen Getränks. Generell kann man sagen: die auffälig gelb gefärbte Brause ist für europäische Geschmacksnerven ziemlich süß. Interessant ist der Aspekt, dass Inka Cola die populärste Limonade in Perú ist, noch vor Coca-Cola. Der US-Konzern hat sich allerdings 1999 mit 49 Prozent an dem Unternehmen beteiligt, das nun auch die US-Brause abfült. Inka Cola ist im Alltag sehr präsent und wird zu allen Mahlzeiten gereicht. Inka Cola ist Teil der nationalen Identität Perús.

Hier ein Werbespot, gedreht im Parque del Amor in Lima

9. Claro – 0,8 Mio Fans www.facebook.com/AmericaMovilPeruSAC
Claro gibt es in Perú seit 2005 und ist inzwischen der zweitgrößte Anbieter für Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation (Telefon, Internet, Mobile, Kabel- und SAT-TV)

10. Cinescape – 0,8 Mio Fans www.facebook.com/CINESCAPE.PERU
Eine TV-Show, die sich ausschließlich mit dem Thema Kino beschäftigt. Die Sendung gibt es seit einem Jahrzehnt. Mein Eindruck: die Peruaner scheinen ganz schön kinoverrückt zu sein.

11. Bembos – 0,6 Mio Fans www.facebook.com/bembos
Fastfoodkette mit aktuell 50 Filialen in Perú, davon allein 34 im Großraum Lima. Hauptprodukte sind: hamburgesas. Bembos gibt es seit 1988 und kann sich hervorragend gegen die multinationen US-Giganten behaupten, die natürlich ebenfalls inzwischen in Perú aktiv sind, allerdings mit weniger Filialen.

12. Samsung – 0,5 Mio Fans www.facebook.com/SamsungPeru
Der südkoreanische Hersteller von Unterhaltungselektronik, Mobiltelefonen und Hausgeräten ist auch in Perú stark präsent.

13. Brahma – 0,5 Mio Fans www.facebook.com/brahma.pe
Eine brasilianische Biermarke, die jetzt zu dem Brauereikonzern AmBev gehört.

14. Interbank – 0,5 Mio Fans www.facebook.com/InterbankPeru
Eine der größten peruanischen Publikumsbanken mit aktuell etwa 200 Filialen und über 1.200 Bankautomaten. Interbank soll etwa 1,2 Millionen Kunden haben.

15. LAN Perú – 0,5 Mio Fans www.facebook.com/lanenperu
LAN ist die größte südamerikanische Fluggesellschaft. In Perú bedient LAN 14 Ziele.

16. Esto es Guerra – 0,5 Mio Fans www.facebook.com/estoesguerra.tv
TV-Showformat – Title dt: Das ist Krieg -,das ähnlich funktioniert, wie das oben genannte Combate: zwei Gruppen (jeweils Männer und FRauen) treten gegeneinader in diversen Spielen und Wetbewerben an.

17. Radio Moda – 0,5 Mio Fans www.facebook.com/RadioModa
Eine Radiostation, die offenbar aber auch TV macht. Soundfarbe: internationaler Pop, Discodance, Latin. Auf der Website kann man sich deren aktuelle Top Ten anhören …

18. Cerveza Cristal – 0,4 Mio Fans www.facebook.com/cervezacristalperu
Laut Wikipedia aktuell die größte peruanische Biermarke.

19. KFC Perú – 0,4 Mio Fans www.facebook.com/KFCperu
Die bekannte US-amerikanische Fastfood-Kette, spezialisert auf Hähnchenprodukte ist auch in Perú aktiv. Die aktuelle Kampagne für zwei Wraps finde ich bezeichnend. Denn diese, so der Slogan, sollen Sabores Peruanos sein – Peruanische Genüsse. Offenbar muss sich in Perú selbst so ein Multi an die lokalen Geschmacksvorlieben anzupassen, um gute Geschäfte zu machen.

20. Chocolate Sublime – 0,4 Mio Fans www.facebook.com/ChocolateSublime
Schokoladensorte des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé.

Hier ein aktueller Werbspot…

Gamarra (Lima): 200.000 schuften im Textilzentrum Südamerikas

Neulich auf diese Geschichte verstoßen, im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen von Markthändlern in Lima. Es kam nämlich nicht nur zu blutigen Straßenschlachten mit der Polizei sondern auch zu massiven Plünderungen mit einem Schaden von einer Million USD. Es geht um Gamarra, das größte Textilzentrum Südamerikas. Mitten in dem Stadtteil La Victoria gelegen arbeiten in den dutzend Straßenzügen vermutlich bis zu 200.000 Menschen an der Herstellung und dem Handel mit Textilien aller Art.

Fotos aus Gamarra in dieser Galerie bei Flickr

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann die Geschichte von Gamarra mit dem Bau mehrerer Textilfabriken, ausgestattet mit damals neusten Maschinen. Darum herum entstand nach und nach ein Arbeiterviertel sowie der riesige Großmarkt La Parada. Tausende von Kunden aus Lima und Umgebung, ja aus ganz Perú und Südamerika strömen seit 50 Jahren täglich in die Straßenzüge mit tausenden von Einzelhändlern. Bis zu 20.000 kleine Unternehmen soll es inzwischen geben.

Das wirtschaftliche Geschehen ist geprägt von informeller Ökonomie. Es gibt Schätzungen, dass dem peruanischen Staat dort 2 Milliarden USD Steuern pro Jahr entgehen. Offenbar hat man das Treiben jahrelang geduldet, weil tausende von Arbeitsplätzen entstanden sind, mit natürlich oft erbärmlichen Bedingungen. Denn Gamarra ist bisher vor allem eins: eine riesige Maschine, die für einen halben Kontinent billige Kopien von Markenklamotten zusammennäht und auf die Märkte schleust.

Inzwischen versucht die Regierung mit gezielten Programmen, die Qualität der produzierten Ware zu erhöhen und das Viertel aufzuwerten. Eine Maßnahme, um den informellen Handel zurückzudrängen: Neubau eines Großmarktes an anderer Stelle und Schließung von La Parada, was zu den Protesten führte. Die Gegend soll aufgewertet werden, man will mit dem Pfund und dem entstandenen Spezialistenwissen wuchern. Sogar US-Außenministerin Hilary Clinton war neulich in einer der Galerias zu Besuch.

Auf diesem Foto Abgeordnete des Parlaments, die mit einer Aktion in Gamarra auf das neue Verbraucherschutzgesetz hinweisen, das seit 1. Oktober 2012 in Kraft ist..

En Defensa del Consumidor

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von mittelständigen Unternehmen, die eigene Marken entwickelt haben und auf den Markt bringen. Ein Beispiel ist ein Unternehmen wie Rooftop. In 5 Jahren hat Rooftop eine Million T-Shirts hergestellt und vertrieben. Inzwischen sind Herstellungskapazitäten für die komplette Bandbreite textiler Produktion im Angebot. Exportiert werden die in Gamarra genähten Teile nach Chile, Bolivien, Ecuador, Venezuela, República Dominicana und Cuba.

Oder das Unternehmen Morenna, das Freizeitmode für Damen und Herren entwirft, anfertigt und in eigenen Geschäften in drei Galerias vermarktet. Galerias gibt es dutzende in Gamarra, im Grunde ähneln sie Kaufhäusern, nur das sie parzelliert an Einzelhändler verpachtet werden. Morenna ist mit den eigenen Shops auf der gesamten Wertschöpfungskette präsent.
Übersicht der Galerias

Und das sind keine Einzelfälle. 1.000 Unternehmen sollen bei dem Wettbewerb des „Produktionsministeriums“ Gamarra Produce Unterlagen eingereicht haben. In vier Kategorien sollten die Geschäftsleute ihre Produkte prüfen lassen und sich einer Jury stellen. Es wurden Modenschauen veranstaltet und Gewinner gekürt. Das Potenzial ist also vorhanden, die Ergebnisse allerdings optimierbar. Die in den Videos gezeigten Gewinnerkollektionen wirken trotz schriller Buntheit doch eher bieder.

Dass es auch anders geht, zeigt die junge Designerin Lucia Cuba, die mit ihren Kollektionen unter dem Namen Lucco Furore macht und inzwischen auf der New Yorker Fashionweek präsent ist. Dass Gamarra sein Image allerdings nicht so schnell los wird, zeigt auch der Umstand, dass die Unternehmenszentrale von Lucco nicht im Textilzentrum selbst residiert, sondern im hippen Szeneviertel Barranco. In Gamarra wird nur produziert …

| Fundstück nebenbei: ziemlich freche Fashionbloggerin aus Lima http://www.theandrogyny.com

Werbefilm der Regierung zu dem Wettbewerb Gamarra Produce

In diesem Videobericht eines TV-Kanals werden Platz 1 und 3 des Wettbewerbs interviewt. Auffällig: beide heben die „starken Farben“ ihrer Entwürfe hervor.

Portal zu Gamarra

Deutsche NGOs in Perú

Perú ist ein bitterarmes Land, trotz der wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre. Zum Vergleich: Mit fast 30 Millionen Einwohnern erwirtschaftet das Land das halbe Bruttoinlandsprodukt von Baden-Württemberg. Die Lebensbedingungen vieler Menschen sind erbärmlich, 30 Prozent gelten als arm, 10 Prozent als sehr arm. Es gibt nach wie vor Regionen wie das VRAEM, wo jedes zweite Kind als unterernährt gilt.

Die Reichtümer sind ungerecht verteilt, der Staat ist schwach in El Perú. Die Steuerquote liegt bei vielleicht 20 Prozent, der Anteil der Schattenwirtschaft ist hoch. Die neoliberale Wirtschaftspolitik hat in den letzten Jahren zwar zu einer positiven Entwicklung bei der Leistungsbilanz geführt, aber eine nachhaltige Strategie vor allem durch Förderung des ländlichen Raumes hat im Grunde nicht stattgefunden. Stattdessen ist das Land abhängig von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe, die mit gigantischen Minenprojekten ohne Rücksicht auf Umwelt und Bewohner gefördert und exportiert werden. Perú ist der größte Produzent von Zink, Silber und Kupfer in Lateinamerika und der zweitgrößte weltweit.

In den letzten Jahren haben die Konflikte bei der Umsetzung von Minenprojekten stark zugenommen. Die Landbevölkerung ist nicht mehr bereit, die fatalen Umweltfolgen in riesigen Gebieten hinzunehmen. Sie sehen ihre karge Lebensgrundlage bedroht und wollen sich nicht in die Slums des Molochs Lima treiben lassen Die Proteste wurden zuletzt immer gewalttätiger, es gab Vorfälle mit dutzenden Toten. Der Staat hat allerdings reagiert: es wurde inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das die Mitwirkung betroffener indigener Bevölkerungsgruppen bei der Umsetzung solcher Projekte vorsieht. Wie sich das in der Praxis entwickelt steht auf einem anderen Blatt.

Die ärmliche Situation der peruanischen Landbevölkerung in den Anden und im Amazonasgebiet lässt vielen Menschen aus dem kirchlichen und globalisierungskritischen Umfeld keine Ruhe. Sie versuchen seit Jahren direkt zu helfen, vor Ort, mit den Bewohnern. Versuchen Bildungs- und Gesundheitsprojekte anzuschieben, nachhaltige Landwirtschaft zu verbreiten, die Weiterverarbeitung und Vermarktung von Agrarprodukten zu organisieren usw. usf.

Ich kann jetzt keine vollständigen Überblick geben über derartigen Aktivitäten, die sicherlich obendrein nicht alle im Web abgebildet sind, aber ich habe mich mal ein bisschen umgeschaut und erste Ansatzpunkte recherchiert.

Freundeskreis Peru-Amazonico
Beginnen will ich mit dem Freundeskreis Peru-Amazonico, der von Eugen Bruder geleitet wird, einem Agraringenieur und ehemaligen Entwicklungshelfer. Der Freundeskreis unterstützt seit Jahren in Nordperu diverse Projekte mit Rat und Tat und Spenden. Außerdem werden ständig Transporteure für ein bestimmtes Medikament gesucht, das in Perú zum zehnfachen des deutschen Preises gehandelt wird. Es handelt sich um einen Wirkstoff gegen eine lepraartige Krankheit, die durch Stechfliegen übertragen wird. Wer also ein-zwei Kilo im Koffer frei hat … Wie es der Zufall will: Herr Bruder hatte mit uns via Facebook Kontakt aufgenommen. Jetzt werden wir ihn kennenlernen. Denn am Sonntag 4. November findet im Haus des Waldes in Stuttgart-Degerloch ein Amazonien-Tag statt. Dort hat der Freundeskreis einen Info-Stand, bietet peruanisches Mittagessen an und das Wurfspiel Sapo.

Weitere Infostellen von Hilfsprojekten und Nachrichten im Web in deutscher Sprache

  • Ein Webring mit deutschsprachigen Seiten zum Thema Perú
  • Informationsstelle Peru – Netzwerk deutscher Solidaritätsgruppen mit Peru
  • Aktuelle Infos aus El Perú in deutscher Sprache InfoAmazonas.de
  • Import und Handel mit nachhaltig produziertem Kaffee aus den peruanischen Anden
  • Berichte von den Protesten gegen Minenprojekte
  • Bericht bei ADVENIAT (bischöfliches Lateinamerika-Hilfswerk der Katholischen Kirche in Deutschland): Ein deutscher Bischof besucht erschüttert ein „normales“ peruanisches Gefängnis, begleitet von einem deutschen Gefängnisgeistlichen
  • Analyse der politischen Situation in dem lateinamerikanischen Infodienst amerika21.de vom Oktober 2011 nach der Übernahme der Präsidentschaft durch Ollanta Humala im Juli.
  • Wom-Blog: Nachrichten aus Lateinamerika – Kategorie Perú
  • Quetztal – Nachrichten aus Lateinamerika – Kategorie Perú
  • Peru-Bericht von Amnesty International: Berichte von Polizeiübergriffen bei Protesten gegen Minenprojekte. Außerdem wird die nachlässige Strafverfolgung von Militärangehörigen kritisiert, die während des staatlichen Gegenterrors Massaker und Menschenrechtsverletzungen zwischen 1986 und 2000 zu verantworten haben.
  • Bei Reporter Ohne Grenzen gibt es keine Einträge zu in Perú verhafteten Einzelpersonen. Die vorhandenen Meldungen hier beziehen sich in der Mehrzahl auf Attacken gegen Journalisten aus dem kriminellen Milieu im Zusammenhang mit der Berichterstattungen über den Drogenhandel oder die umstrittenen Minenprojekte. Andererseits gerät die Pressefreiheit durch diverse Prozesse in Gefahr, die von kritischer Berichterstattung betroffene Politiker gegen Journalisten auf dem Wege des Zivilrechts anstrengen. Die Prozesse enden teilweise mit haarsträubenden Urteilen. Hier ein paar Fälle aus den letzten Jahren in englischer Sprache.

Fotoalbum aus dem Juni 2009 mit Dokumenten über die mit erheblicher Polizeigewalt aufgelösten Proteste (inklusive Straßensperren) gegen ein Minenprojekt in Bagua. Insgesamt gab es seinerzeit 33 Tote darunter 23 Polizisten. Zwei Generäle der Nationalpolizei wurden inzwischen verurteilt.

Lima: Zwei Tote bei Revolte von Kleinhändlern

In Lima hat es gestern schwere Straßenschlachten mit zwei Toten und fast einhundert Verletzten gegeben. Die Auseinandersetzungen zogen sich den ganzen Nachmittag und den Abend hin. Steinhagel, Barrikadenbau, Einsatz von Reiterstaffeln, Schlagstöcken und Schusswaffen, Plünderungen und Festnahmen – der Krawall war immens.

Der Hintergrund ist mir nicht in allen Details klar, aber der Konflikt schwelt schon seit Wochen. So wie ich es verstanden habe, geht es um die Verlegung eines Marktes. Wenn man sich die Satellitenbilder auf Google Maps anschaut, erkennt man deutlich die drei Areale mit hunderten von kleinteiligen Marktständen. Diese sollten zumindest teilweise an einen anderen Ort verlegt, wogegen sich die aktuellen Kleinhändler (daher mercado minorista) massiv zur Wehr setzen, zunächst mit vielen Protestaktionen.


Größere Kartenansicht

Nachdem mehrere Ultimaten der Behörden verstrichen waren, sollte nun gestern der Bereich unter Einsatz von Polizeikräften „friedlich“ geräumt werden. Daraus wurde nichts, im Gegenteil. Die Lage eskalierte enorm und griff auf benachbarte Stadtviertel über. Offenbar musste sich die Polizei angesichts des immensen Widerstandes zeitweilig aus dem Gebiet zurückziehen, um dann mit insgesamt 5.000 Einsatzkräften und massivem Gewalteinsatz die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. In dieser Zeit kam es in dem angrenzenden Emporio Comercial de Gamarra, einem Handelszentrum für Textilien, zu umfangreichen Plünderungen.

[Ganz interessant: die peruanische Designszene startet Versuche in diesem quirligen Viertel. Schöne Website. Sehr gute Infos über das Textilviertel Gamarra, in dem über 50.000 Menschen arbeiten, in diesem Artikel von InfoAmazonas.de]

Die limeñischen Medien bringen die Straßenschlachten in dem Stadtteil La Parada in großen Aufmachern und schrecken vor drastischen Bildern nicht zurück. Von den Ausschreitungen selbst gibt es umfangreiches Videomaterial, das gnadenlos ausgestrahlt wird. Hier drei Beispiele. Die Kameraleute scheinen ziemlich unerschrocken zu sein und drehen im heftigsten Steinhagel weiter, ja, zerren verletzte Polizisten in Sicherheit. Man erkennt deutlich, dass die Polizisten ihrerseits mit Steinwürfen auf die Attacken der Händler und ihrer Tagelöhner – und was sonst an vandálicos, so die Sensationspresse, die Gelegenheit genutzt hat – reagiert.

[Wenn die folgenden zwei Videos nicht angezeigt werden, bei Interesse mal gehen zu Perú.com. Dort alle Artikel (Videosymbol!) zum Vorfall, es sind allein auf dieser Seite mehr als ein Dutzend.]