Sonidos del Perú | Ofrenda Maestra – Wiedergeburt der música criolla

Wer sich durch eine peruanische Musikchart aktuellen Datums klickt, zum Beispiel diese hier, der wird schnell feststellen, dass die aktuelle peruanischen Populärmusik bestimmt wird von dem was wir heute Pop Latino nennen. Eine Portion Salsa, ein Schuss Rumba, durchgemöllert mit etwas Technopop und versehen mit einer eingängigen Melodie präsentiert von glatt polierten Sänger/in – fertig ist die Musiksoße. Anzutreffen sind die enorm erfolgreichen Schnulzen des Pop Latino in ganz Südamerika inklusive USA, wo sie neben Kolumbien und Mexiko bevorzugt produziert werden. Aus allen Ecken dudelt Pop Latino, es ist die billige, musikalische Massenware eines ganzen Kontinents.

Peruanische Musiktradition: Música criolla
Soviel steht fest: es gab schon vor dem Pop Latino eigenständige Musik in Südamerika zu der El Perú einiges beigetragen hat. Beispiel ist die música criolla. Entstanden in Lima Anfang des 20. Jahrhunderts handelt es sich um die erste eigene Musik der Criollos, der in Perú gebürtigen Nachfahren der spanischen Einwanderer. Man kann das durchaus als kulturellen Emanzipationsprozess vom europäischen Mutterland bezeichnen. Politisch war Spanien zwar schon lange vorher abgemeldet, prägte aber weiter die kulturellen Maßstäbe in der bürgerlichen Bildungs- und Machtelite Limas.

Nun verbreiteten sich eine ganze Reihe neuer Stile und Gesellschaftstänze, die eines gemeinsam hatten: zusammengeführt wurden verschiedene musikalische Traditionen, die die Einwanderungswellen wiederspiegeln. Spanisch-europäische Wurzeln wurden verbunden mit afrikanischen Einflüssen. In den städtischen Quartieren entstanden der peruanische Walzer und der Tanz Marinera Limeña (Limenische Fischerin) und Gesangsstile wie der Tondero und der Festejo. Die Blütezeit der música criolla endete in den 60er Jahren und geriet dann fast in Vergessenheit.

In diesem Video ein TV-Auftritt der Los Embajadores Criollos, die in den 50ern ihre größten Erfolge feierten.

Tipp: Ofrenda Maestra
2005 begann der peruanische Jazz-Gitarrist Renzo Gil ein Projekt, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem Kuba bekannten Buena Vista Social Club aufweist: ehemalige, in Würde gealterte Protagonisten der música criolla spielen wieder ihre alten Hits. Allerdings hat Gil doch einiges umarrangiert und den triefenden Melodien eine Prise frischer Jazz-Improvisation beigemengt. 2007 wurde eine CD veröffentlicht. Titel: OFRENDA POPULAR – Un siglo de Música Criolla de Lima y Callao. Ein unverbrauchter Blick auf ein Jahrhundert musikalischer Populärkultur in Lima.

Promovideo für die CD

Besonders live scheint das Projekt eine tolle Dynamik zu entfalten. Hier ein Konzertmitschnitt in einem Jazz-Club.

Facebookseite von Ofrenda Maestra

Hier finden sich eine ganze Reihe weiterer Videos von Ofrenda Maestra

Gamarra (Lima): 200.000 schuften im Textilzentrum Südamerikas

Neulich auf diese Geschichte verstoßen, im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen von Markthändlern in Lima. Es kam nämlich nicht nur zu blutigen Straßenschlachten mit der Polizei sondern auch zu massiven Plünderungen mit einem Schaden von einer Million USD. Es geht um Gamarra, das größte Textilzentrum Südamerikas. Mitten in dem Stadtteil La Victoria gelegen arbeiten in den dutzend Straßenzügen vermutlich bis zu 200.000 Menschen an der Herstellung und dem Handel mit Textilien aller Art.

Fotos aus Gamarra in dieser Galerie bei Flickr

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann die Geschichte von Gamarra mit dem Bau mehrerer Textilfabriken, ausgestattet mit damals neusten Maschinen. Darum herum entstand nach und nach ein Arbeiterviertel sowie der riesige Großmarkt La Parada. Tausende von Kunden aus Lima und Umgebung, ja aus ganz Perú und Südamerika strömen seit 50 Jahren täglich in die Straßenzüge mit tausenden von Einzelhändlern. Bis zu 20.000 kleine Unternehmen soll es inzwischen geben.

Das wirtschaftliche Geschehen ist geprägt von informeller Ökonomie. Es gibt Schätzungen, dass dem peruanischen Staat dort 2 Milliarden USD Steuern pro Jahr entgehen. Offenbar hat man das Treiben jahrelang geduldet, weil tausende von Arbeitsplätzen entstanden sind, mit natürlich oft erbärmlichen Bedingungen. Denn Gamarra ist bisher vor allem eins: eine riesige Maschine, die für einen halben Kontinent billige Kopien von Markenklamotten zusammennäht und auf die Märkte schleust.

Inzwischen versucht die Regierung mit gezielten Programmen, die Qualität der produzierten Ware zu erhöhen und das Viertel aufzuwerten. Eine Maßnahme, um den informellen Handel zurückzudrängen: Neubau eines Großmarktes an anderer Stelle und Schließung von La Parada, was zu den Protesten führte. Die Gegend soll aufgewertet werden, man will mit dem Pfund und dem entstandenen Spezialistenwissen wuchern. Sogar US-Außenministerin Hilary Clinton war neulich in einer der Galerias zu Besuch.

Auf diesem Foto Abgeordnete des Parlaments, die mit einer Aktion in Gamarra auf das neue Verbraucherschutzgesetz hinweisen, das seit 1. Oktober 2012 in Kraft ist..

En Defensa del Consumidor

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von mittelständigen Unternehmen, die eigene Marken entwickelt haben und auf den Markt bringen. Ein Beispiel ist ein Unternehmen wie Rooftop. In 5 Jahren hat Rooftop eine Million T-Shirts hergestellt und vertrieben. Inzwischen sind Herstellungskapazitäten für die komplette Bandbreite textiler Produktion im Angebot. Exportiert werden die in Gamarra genähten Teile nach Chile, Bolivien, Ecuador, Venezuela, República Dominicana und Cuba.

Oder das Unternehmen Morenna, das Freizeitmode für Damen und Herren entwirft, anfertigt und in eigenen Geschäften in drei Galerias vermarktet. Galerias gibt es dutzende in Gamarra, im Grunde ähneln sie Kaufhäusern, nur das sie parzelliert an Einzelhändler verpachtet werden. Morenna ist mit den eigenen Shops auf der gesamten Wertschöpfungskette präsent.
Übersicht der Galerias

Und das sind keine Einzelfälle. 1.000 Unternehmen sollen bei dem Wettbewerb des „Produktionsministeriums“ Gamarra Produce Unterlagen eingereicht haben. In vier Kategorien sollten die Geschäftsleute ihre Produkte prüfen lassen und sich einer Jury stellen. Es wurden Modenschauen veranstaltet und Gewinner gekürt. Das Potenzial ist also vorhanden, die Ergebnisse allerdings optimierbar. Die in den Videos gezeigten Gewinnerkollektionen wirken trotz schriller Buntheit doch eher bieder.

Dass es auch anders geht, zeigt die junge Designerin Lucia Cuba, die mit ihren Kollektionen unter dem Namen Lucco Furore macht und inzwischen auf der New Yorker Fashionweek präsent ist. Dass Gamarra sein Image allerdings nicht so schnell los wird, zeigt auch der Umstand, dass die Unternehmenszentrale von Lucco nicht im Textilzentrum selbst residiert, sondern im hippen Szeneviertel Barranco. In Gamarra wird nur produziert …

| Fundstück nebenbei: ziemlich freche Fashionbloggerin aus Lima http://www.theandrogyny.com

Werbefilm der Regierung zu dem Wettbewerb Gamarra Produce

In diesem Videobericht eines TV-Kanals werden Platz 1 und 3 des Wettbewerbs interviewt. Auffällig: beide heben die „starken Farben“ ihrer Entwürfe hervor.

Portal zu Gamarra

Lima: Zwei Tote bei Revolte von Kleinhändlern

In Lima hat es gestern schwere Straßenschlachten mit zwei Toten und fast einhundert Verletzten gegeben. Die Auseinandersetzungen zogen sich den ganzen Nachmittag und den Abend hin. Steinhagel, Barrikadenbau, Einsatz von Reiterstaffeln, Schlagstöcken und Schusswaffen, Plünderungen und Festnahmen – der Krawall war immens.

Der Hintergrund ist mir nicht in allen Details klar, aber der Konflikt schwelt schon seit Wochen. So wie ich es verstanden habe, geht es um die Verlegung eines Marktes. Wenn man sich die Satellitenbilder auf Google Maps anschaut, erkennt man deutlich die drei Areale mit hunderten von kleinteiligen Marktständen. Diese sollten zumindest teilweise an einen anderen Ort verlegt, wogegen sich die aktuellen Kleinhändler (daher mercado minorista) massiv zur Wehr setzen, zunächst mit vielen Protestaktionen.


Größere Kartenansicht

Nachdem mehrere Ultimaten der Behörden verstrichen waren, sollte nun gestern der Bereich unter Einsatz von Polizeikräften „friedlich“ geräumt werden. Daraus wurde nichts, im Gegenteil. Die Lage eskalierte enorm und griff auf benachbarte Stadtviertel über. Offenbar musste sich die Polizei angesichts des immensen Widerstandes zeitweilig aus dem Gebiet zurückziehen, um dann mit insgesamt 5.000 Einsatzkräften und massivem Gewalteinsatz die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. In dieser Zeit kam es in dem angrenzenden Emporio Comercial de Gamarra, einem Handelszentrum für Textilien, zu umfangreichen Plünderungen.

[Ganz interessant: die peruanische Designszene startet Versuche in diesem quirligen Viertel. Schöne Website. Sehr gute Infos über das Textilviertel Gamarra, in dem über 50.000 Menschen arbeiten, in diesem Artikel von InfoAmazonas.de]

Die limeñischen Medien bringen die Straßenschlachten in dem Stadtteil La Parada in großen Aufmachern und schrecken vor drastischen Bildern nicht zurück. Von den Ausschreitungen selbst gibt es umfangreiches Videomaterial, das gnadenlos ausgestrahlt wird. Hier drei Beispiele. Die Kameraleute scheinen ziemlich unerschrocken zu sein und drehen im heftigsten Steinhagel weiter, ja, zerren verletzte Polizisten in Sicherheit. Man erkennt deutlich, dass die Polizisten ihrerseits mit Steinwürfen auf die Attacken der Händler und ihrer Tagelöhner – und was sonst an vandálicos, so die Sensationspresse, die Gelegenheit genutzt hat – reagiert.

[Wenn die folgenden zwei Videos nicht angezeigt werden, bei Interesse mal gehen zu Perú.com. Dort alle Artikel (Videosymbol!) zum Vorfall, es sind allein auf dieser Seite mehr als ein Dutzend.]

Dokumentarfilm über peruanische Küche | Perú Sabe: La cocina, arma social

Im diesen Tagen feiert ein Dokumentarfilm über den Status Quo der peruanischen Kulinarik Premiere. Ein gutes Thema, denn: Die peruanische Küche ist äußerst vielfältig und gilt, wie bereits erwähnt, als beste Küche Südamerikas. Ob das so ist, werden wir dann noch ausgiebig testen.

Die Vielfalt der kulinarischen Genüsse lässt sich mit der Geographie recht einfach begründen: El Perú vereinigt drei klimatische Zonen mit ganz unterschiedlichen kulinarischen Ausprägungen. Als da wären: Die Pazifikküste mit ihren Fischgerichten, das Hochgebirge mit einer ausgeprägten Mais- und Kartoffelkultur und den Regenwald mit all dem tropischen Überfluss und Artenreichtum, die der Amazonasdschungel bietet.

Hinzu kommt: diese unterschiedlichen regionalen Gerichte gehen teilweise bis auf die präkolumbianischen Zivilisationen zurück.

Die peruanischen Kulinarik war in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem darum bemüht, diese regionalen Gerichte zu kodifizieren, ja, sie sogar wieder auszugraben und neu zu beleben.

Die Besonderheit besteht nun darin, diese drei Traditionslinien kreativ zu kombinieren und etwas ganz neues daraus zu machen. Sie zu modernisieren. Hinzu kommt eine relativ breite, in den letzten Jahren enorm gewachsene Professionalisierung. So sollen aktuell 80.000 junge Leute eine Ausbildung in einem Gastroberuf absolvieren.

Über diese Entwicklung und den Status Quo der peruanischen Kulinaristik berichtet der in diesem Herbst auf diversen Filmfestivals erstmals vorgestellte Film Perú Sabe: La cocina, arma social (Die Küche als soziale Waffe). In dem Dokumentarfilm wird die Küche Perús mit all ihren Varietäten vorgestellt. Als roten Erzählfaden bedient man sich dabei zweier außergewöhnlicher Personen auf dem Gebiet der Kochkunst: des unbestrittenen Anführers der globalen Kochavantgarde, dem Spanier Ferran Adrià, sowie dem besten Koch Perús, Gastón Acurio (Foto links).

Zentrale Rolle spielt natürlich der limenische Koch Gastón Acurio (45), der Adrià die Küche Perus erklärt. Acurios Verdienst besteht darin, die peruanische Traditionsküche zeitgemäß und kreativ zu interpretieren, ohne dabei die Wurzeln aufzugeben. Das ist unter anderem festgehalten in seinem vielfach ausgezeichneten Kochbuch 500 años de fusión (500 Jahre Fusion). Seine Ideen hat er in ein gastronomisches Konzept verwandelt mit Namen Astrid y Gastón und dieses in die ganze Welt exportiert – mit großem Erfolg. Mehr Infos dazu auf der Website des Restaurants. Diesem Restaurant werden wir mit Sicherheit einen Besuch abstatten.

Hier ein Ausschitt aus dem Film (mit englischen Untertiteln).

Hinweis: zum Thema Gastronomie wird noch mehr kommen…

Foto: Premierenfeier mit Gastón Acurio und Ferran Adriá. Von www.perusabe.com.pe

Via Twitter von @textundblog

Sonidos del Perú: Bareto

Musik aus El Perú – das ist natürlich viel mehr als El Condor pasa und geflöteter Andensoundkitsch. Obwohl, man muss es so sagen: es handelt sich dabei um die peruanische Volksmusik. Sie hören es einfach. Es ist unvermeidlich.

Aber wie gesagt: da ist mehr. Wie zum Beispiel Bareto, die wir durch Zufall mal wieder über Facebook entdeckt haben. Dort hat Bareto eine lebendige Fanseite.

Bareto (offizielle Bandsite) gibt es seit 2003. Begonnen haben sie mit Ausflügen in Jazz, Rock, Reggae und Ska, um dann 2008 auf einer neuen muskikalischen Welle zu reiten: die Wiederbelebung der klassischen Cumbia-Musik. Dabei handelt es sich um die in den 60-80ern in ganz Lateinamerika äußerst populäre Mischung von südamerkanischen Rhythmen mit Elektrogitarren und schrägem Soundeffekten.

Bei Bareto klingt die alten Sounds wie durch die Rockmühle gemöllert, aufgefrischt mit Reggaerhythmen und Sprechgesang. Aber manchmal schimmern immer noch die Anden durch – Perú eben.

Aber was laber ich hier rum – hört es euch einfach selbst an.

Eine Singleauskopplung aus dem letzten Album, das im April 2012 erschienen ist. Auch wenn man den Text nicht versteht, es ist unübersehbar: Bareto setzt sich kritisch mit politischen Themen auseinander. In diesem Video stellen sie die Systemfrage.

Hier erklären sie, wie man in die Toro Retro Bar in Lima kommt, wo sie im angesagten Szenestadtteil Barranco ihre neue Single 2012 vorgestellt haben. So sieht das da aus, in Lima.

Die Ursprünge der Cumbia-Musik hören sich so an: Ein Lied der Los Destellos, die den Stil mitbegründet haben sollen.

Müsste eigentlich möglich sein, mit Bareto ein Interview zu vereinbaren…