Webfundstück: Der Lehrerstreik und Sendero

Einen sehr informativen Hintergrundartikel zur Rückkehr von Sendero Luminoso auf die politische Bühne Perús gibt es bei der Informationsstelle Peru e.V..

Der Autor Heinz Schulze kennt sich in Perú gut aus und hat mit Studierenden und Lehrern in den betroffenen Südregionen gesprochen. Im Kern geht es um die Unterwanderung der Lehrergewerkschaft SUTEP durch radikale Gruppen, die die maoistisch-nationalistische Lehre des Obersenderista Abimael „Gonzalo“ Guzmán verbreiten. In den letzten Monaten war es zu landesweiten Streiks der Lehrer gekommen, was zwar angesichts der desolaten Situation im peruanischen Bildunsgsystem nicht überraschen kann, durch Einfluss der Radikalen, so Schulze, aber wesentlich verschärft und politisiert wurde.

Der Autor warnt vor einem Wiedererstarken von Sendero Luminoso in Form des MOVADEF, einer Art Gefangenenhilfsorganisation für inhaftierte Ex-Sendero-Mitglieder. Fazit von Schulze:

Wenn es längere Zeit so aussah, dass die Überbleibsel des Sendero als Schutzorganisation für den Drogenhandel im Regenwald von Ayacucho, Flüsse Ene und Tambo (VRAE-Region) ihr Dasein fristeten, so stimmt das heute nicht mehr. Durch SUTEP-CONARE sind sie in Teilen der peruanischen Lehrergewerkschaft aktiv.

Die vergessenen Minen des Diktators

25 Spezialisten, in der Mehrzahl aus Bosnien (!), sind an der chilenischen Grenze zu Perú eingetroffen, um dort Minen zu bergen? Diese Nachricht gestern hat uns neugierig gemacht. Wie kann es sein, dass es in Südamerika verminte Grenzen gibt? Erblast welchen Krieges sollte das sein?

Keine Kriege, aber auch kein Frieden
Sicher, es gab immer wieder Krieg zwischen den südamerikanischen Ländern, aber die letzten bewaffneten Auseinandersetzungen liegen doch schon eine Weil zurück: Der große Krieg um die Herrschaft über die Salpetervorkommen fand zwischen 1879 und 1883 statt.

Seitdem herrscht Ruhe, aber es ist ein mehr oder weniger angespannter Zustand. So richtig grün sind sich die Nationen nicht. Noch 2008 eskalierten die langwierigen Verhandlungen über die Meeresgrenzen, sodass Perú vor dem internationalen Gerichtshof der UNO eine Klage gegen Chile einreichte. Ende offen. Von europäischen Verhältnissen kann man in Südmaerika jedenfalls nicht sprechen.

Pinochets Erbe
Die erwähnten Minen hat Anfang der 70er der chilenische Diktator General Pinochet verlegen lassen. Pinochet fühlte sich auf Grund des gegen ihn und seine Putschregierung verhängten Waffenembargos geschwächt und entschied sich in seiner paranoiden Großmannssucht für eine minenbewehrte Verteidigungsstrategie. Insgesamt sollen 180.000 Antipersonenminen an den Grenzen zu Perú, Bolivien und Argentinien verlegt worden sein. So ganz genau ist das offenbar nicht mehr rekonstruierbar.

Minen werden angespült
Mit der Unterzeichnung des Abkommens von Ottawa, mit dem 2002 die Nutzung und Verbreitung von Antipersonenminen verboten wurde, kamen Verhandlungen zwischen den Staaten in Gang. Daraufhin wurden viele tausend Minen entfernt. Aber eben noch nicht alle. Immer wieder passieren Unfälle. Erst im Mai ging ein PKW von Schmugglern hoch, die trotz Warnschildern in ein Minenfeld hineingefahren waren.

Im Februar musste sogar Grenze zwischen Tacna (Perú) und Arica (Chile) geschlossen werden musste. Starke Regenfälle in den Anden hat Minen dort freigespült und bis in das pazifische Tiefland gespült. Daraufhin kamen die peruanische und die chilenische Regierung überein, ein erfahrenes Team der norwegischen NGO Peoples Aid herzubitten, dessen Chef bereits im Irak und Afghanistan Minenräumungen organisiert hat. Jetzt ist das Team in Chile eingetroffen und wird das gefährliche Erbe des Diktators entschärfen.

Das Bild hat mit den geschilderten Zusammenhängen nichts zu tun, es zeigt allerdings den chilenischen Präsidenten Piñera bei einem Besuch vor einer Woche in der betroffenen Region, 7 Kilometer von der peruanischen Grenze entfernt.

Sebastián Piñera en Arica

Quellen
Bericht aus ElPeru.com
Artikel über die Minen aus ElMostrador.cl
Artikel Radio Perú
Artikel in LaSegunda

Das Werbevideo: Zu schön um wahr zu sein

Eigentlich handelt es sich um ein normales Werbevideo. Eine Zeitung soll verkauft werden. Doch irgendwas stimmt nicht an diesem Spot.

Beworben wird die neu gestaltete Sonntagsausgabe der zweitgrößten Tageszeitung des Landes: La Republica. Das Magazin-Supplement ist bekannt für seine meinungsbildenden Kolummnisten, gewagten Fotostrecken und innovativen Themen. Da Medien in Perú immer unter politischen Aspekten betrachtet werden sollten, übernehmen wir an dieser Stelle die Einschätzung der spanischen Wikipedia: centro izquierda moderado – gemäßigte linke Mitte. Vielleicht so eine Art Süddeutsche Zeitung.

Was zeigt das Video?

Zwei junge Leute. Sie sehen aus, wie… Spanier? Ich versuche es so übersetzen: dieses Paar verkörpert das Schönheitsideal der peruanischen Gesellschaft, bzw. deren Teil, den La Republica erreichen will. Was politisch gesehen eher nicht das konservative Bürgertum mit seinen oligarchischen Tendenzen ist. Der Spot richtet sich an die neue urbane Mittelschicht und denen, die dorthin aufsteigen wollen.

In dem Vorgang wird ein Widerspruch in der peruanischen Gesellschaft deutlich, den allerdings alle südamerikanischen Gesellschaften aufweisen. Denn der populäre, folkloristische Teil der gesellschaftlichen, sogar nationalen Identität wird gespeist aus vorkolonialen Traditionen. Man kann sogar von einer Wiederentdeckung dieser Wurzeln sprechen. Der bolivianische Präsident Evo Morales ist der bekannteste Protagonist, den diese Bewegung nach oben gespült hat. Selbst Sendero Luminoso hat mit derartigen Versatzstücken gespielt.

Diese Rückbesinnung bleibt aber oberflächlich, sie spiegelt sich nicht in der gesellschaftlichen Realität wieder. Dort herrschen andere Gesetze. Noch ist der (post)koloniale Rassismus, der die soziale Spaltung zementiert, innerhalb dieser Gesellschaften nicht überwunden. Der soziale Aufstieg ist vor allem deshalb schwer, weil der Staat schwach ist.

Was ich gar nicht zu deuten vermag ist das Fahrrad, mit dem der männliche Darsteller in drei Einstellungen hantiert. Ist Fahrrad grade Mode in Perú?

Toll auch diese Szenerie in neoklassizistischem Architekturensemble. Eben NICHT die modernen Glitzerpaläste aus Stahl und Glas. Präsentiert wird die leicht morbide Pracht untergegangener Großbürgerlichkeit.

Dokumentarfilm über peruanische Küche | Perú Sabe: La cocina, arma social

Im diesen Tagen feiert ein Dokumentarfilm über den Status Quo der peruanischen Kulinarik Premiere. Ein gutes Thema, denn: Die peruanische Küche ist äußerst vielfältig und gilt, wie bereits erwähnt, als beste Küche Südamerikas. Ob das so ist, werden wir dann noch ausgiebig testen.

Die Vielfalt der kulinarischen Genüsse lässt sich mit der Geographie recht einfach begründen: El Perú vereinigt drei klimatische Zonen mit ganz unterschiedlichen kulinarischen Ausprägungen. Als da wären: Die Pazifikküste mit ihren Fischgerichten, das Hochgebirge mit einer ausgeprägten Mais- und Kartoffelkultur und den Regenwald mit all dem tropischen Überfluss und Artenreichtum, die der Amazonasdschungel bietet.

Hinzu kommt: diese unterschiedlichen regionalen Gerichte gehen teilweise bis auf die präkolumbianischen Zivilisationen zurück.

Die peruanischen Kulinarik war in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem darum bemüht, diese regionalen Gerichte zu kodifizieren, ja, sie sogar wieder auszugraben und neu zu beleben.

Die Besonderheit besteht nun darin, diese drei Traditionslinien kreativ zu kombinieren und etwas ganz neues daraus zu machen. Sie zu modernisieren. Hinzu kommt eine relativ breite, in den letzten Jahren enorm gewachsene Professionalisierung. So sollen aktuell 80.000 junge Leute eine Ausbildung in einem Gastroberuf absolvieren.

Über diese Entwicklung und den Status Quo der peruanischen Kulinaristik berichtet der in diesem Herbst auf diversen Filmfestivals erstmals vorgestellte Film Perú Sabe: La cocina, arma social (Die Küche als soziale Waffe). In dem Dokumentarfilm wird die Küche Perús mit all ihren Varietäten vorgestellt. Als roten Erzählfaden bedient man sich dabei zweier außergewöhnlicher Personen auf dem Gebiet der Kochkunst: des unbestrittenen Anführers der globalen Kochavantgarde, dem Spanier Ferran Adrià, sowie dem besten Koch Perús, Gastón Acurio (Foto links).

Zentrale Rolle spielt natürlich der limenische Koch Gastón Acurio (45), der Adrià die Küche Perus erklärt. Acurios Verdienst besteht darin, die peruanische Traditionsküche zeitgemäß und kreativ zu interpretieren, ohne dabei die Wurzeln aufzugeben. Das ist unter anderem festgehalten in seinem vielfach ausgezeichneten Kochbuch 500 años de fusión (500 Jahre Fusion). Seine Ideen hat er in ein gastronomisches Konzept verwandelt mit Namen Astrid y Gastón und dieses in die ganze Welt exportiert – mit großem Erfolg. Mehr Infos dazu auf der Website des Restaurants. Diesem Restaurant werden wir mit Sicherheit einen Besuch abstatten.

Hier ein Ausschitt aus dem Film (mit englischen Untertiteln).

Hinweis: zum Thema Gastronomie wird noch mehr kommen…

Foto: Premierenfeier mit Gastón Acurio und Ferran Adriá. Von www.perusabe.com.pe

Via Twitter von @textundblog

Sonidos del Perú: Bareto

Musik aus El Perú – das ist natürlich viel mehr als El Condor pasa und geflöteter Andensoundkitsch. Obwohl, man muss es so sagen: es handelt sich dabei um die peruanische Volksmusik. Sie hören es einfach. Es ist unvermeidlich.

Aber wie gesagt: da ist mehr. Wie zum Beispiel Bareto, die wir durch Zufall mal wieder über Facebook entdeckt haben. Dort hat Bareto eine lebendige Fanseite.

Bareto (offizielle Bandsite) gibt es seit 2003. Begonnen haben sie mit Ausflügen in Jazz, Rock, Reggae und Ska, um dann 2008 auf einer neuen muskikalischen Welle zu reiten: die Wiederbelebung der klassischen Cumbia-Musik. Dabei handelt es sich um die in den 60-80ern in ganz Lateinamerika äußerst populäre Mischung von südamerkanischen Rhythmen mit Elektrogitarren und schrägem Soundeffekten.

Bei Bareto klingt die alten Sounds wie durch die Rockmühle gemöllert, aufgefrischt mit Reggaerhythmen und Sprechgesang. Aber manchmal schimmern immer noch die Anden durch – Perú eben.

Aber was laber ich hier rum – hört es euch einfach selbst an.

Eine Singleauskopplung aus dem letzten Album, das im April 2012 erschienen ist. Auch wenn man den Text nicht versteht, es ist unübersehbar: Bareto setzt sich kritisch mit politischen Themen auseinander. In diesem Video stellen sie die Systemfrage.

Hier erklären sie, wie man in die Toro Retro Bar in Lima kommt, wo sie im angesagten Szenestadtteil Barranco ihre neue Single 2012 vorgestellt haben. So sieht das da aus, in Lima.

Die Ursprünge der Cumbia-Musik hören sich so an: Ein Lied der Los Destellos, die den Stil mitbegründet haben sollen.

Müsste eigentlich möglich sein, mit Bareto ein Interview zu vereinbaren…